Es fehlt wieder mal an Disziplin
- Wiebke Pausch
- 26. März
- 2 Min. Lesezeit

Kennst du das auch? Du nimmst an einem Kurs für Achtsamkeit, Selbstmitgefühl oder Selbstliebe teil und entdeckst zahlreiche praktische Werkzeuge, die dir im Alltag helfen. Du bist begeistert, endlich etwas gefunden zu haben, das dir Freude bereitet, wirksam ist und sich leicht anwenden lässt. Der Kurs endet, und du übst noch einige Wochen weiter. Doch ganz allmählich, im Laufe der Zeit gewinnen die Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die dich ursprünglich zum Kurs geführt haben, wieder an Einfluss. Du machst keine Pausen, schläfst zu wenig und kümmerst dich nicht ausreichend um dich selbst.
Oft bleiben nur wenige Praktiken, die du anwendest, vielleicht eine beruhigende Berührung oder die Selbstmitgefühlspause. Und du kritisierst dich. Es fehlt wieder mal an Disziplin - Du schaffst es eh nicht dranzubleiben - Du hast schon wieder alles vergessen. Die kritischen Stimmen in dir werden laut und beschimpfen dich für etwas, das ganz menschlich ist. Nichts ist falsch mit dir. Selbstfreundlichkeit ins Leben zu bringen braucht Zeit.
Achtsamkeit und Selbstmitgefühl sind neue Gewohnheiten. Mir fällt dazu der Begriff „ungewohnte Selbstfreundlichkeit“ ein. Jahrzehntelange Verhaltensmuster, die uns als Kinder vielleicht geholfen haben, um zu überleben, haben unser Herz verschlossen. Jetzt können wir stückchenweise das Verhalten loslassen, was uns nicht mehr schützt, sondern nur noch hinderlich ist.
Wenn du nur eine einzige neue Gewohnheit aus dem Kurs mitnimmst und sie in deinem Alltag praktizierst oder deine Haltung dir selbst gegenüber ein wenig wohlwollender gestaltest, ist das schon sehr viel wert. Ich lade dich ein, dies zu würdigen und nicht nur auf das zu schauen, was du noch nicht „kannst“.
Selbstfreundlichkeit ist eine neue, ungewohnte Fähigkeit. Studien zeigen, dass das Praktizieren von Selbstmitgefühl zu einem deutlich besseren Lebensgefühl, einer gesünderen Lebensweise, zufriedenstellenderen Beziehungen sowie zu weniger Angst und Depression führt. Wenn wir es praktizieren.
Das Wort „praktizieren“ klingt leider schon wieder nach Anstrengung, und darum geht es hier nicht wirklich. Es geht vielmehr um anstrengungsloses Üben, um das Üben mit Freude. Ein wohltuendes Geschenk an dich selbst. Meist geht es auch einfach darum, sich zu erinnern – an die wohltuende, mitfühlende Berührung für dich selbst. An die Selbstmitgefühlspause, wenn es dir schlecht geht oder du in einem Konflikt steckst. Den Weg zur Bahn in mitfühlendes Gehen verwandeln. An das liebevolle Atmen, das dich abends vor dem Schlafengehen begleitet.
Dich daran erinnern, dass du nicht alleine bist. Dir zu erlauben, das gemeinsame Menschsein und die Verbundenheit zu spüren. Vielleicht möchtest du wieder Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen, mit denen du den Kurs gemacht hast. Ein Meditationszentrum besuchen. Dich anleiten lassen. Du darfst Unterstützung und Begleitung annehmen. Du musst nichts alleine schaffen. Und es darf leicht sein. Leicht wie eine Feder.
Heute
Heute fliege ich tief und ich
sage kein Wort
Ich lasse all die Geister des Ehrgeizes schlafen.
Die Welt geht weiter, wie sie muss,
die Bienen im Garten summen ein wenig,
die Fische springen, die Mücken werden gefressen.
Und so weiter.
Aber ich nehme mir den Tag frei.
Still wie eine Feder.
Ich bewege mich kaum, obwohl ich eigentlich
eine gewaltige Strecke zurücklege.
Stille.
Eine der Türen
in den Tempel.
Mary Oliver
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